Die Menge im Saal des Münchner Hofbräuhauses rief:
    Biedenkopf, Biedenkopf". 
    Da stieg der CDU-Generalsekretär aufs Musik-Podium, das gerade von CSU-Chef 
    Franz Josef Strauß, Kanzlerkandidat Helmut Kohl und Fraktionschef Carl Carstens 
    geräumt worden war. Aus dem Stegreif hielt er folgende Ansprache an die 
    Teilnehmer des CSU-Wahlparteitags, die sich abends vor den Maßkrügen 
    versammelt hatten: 
    Liebe Freunde: Zunächst einmal Prost! 
    Da von mir theoretische Beiträge erwartet werden, möchte ich auch heute Abend 
    einen solchen Beitrag leisten. Ich möchte erläutern, wie man durch Freibier zum 
    Sozialismus kommen kann: Die Freibierstrategie des Sozialismus! 
    Als ersten Schritt verspricht die Regierung allen Bürgern im Lande Freibier. Jeder 
    soll im Interesse der Gleichheit Bier umsonst erhalten. 
    Um sicherzugehen, daß nur noch Freibier angeboten wird, muß als nächstes der 
    Verkauf von Bier verboten werden. Niemand soll sich durch den Kauf von Bier 
    besondere Privilegien verschaffen können. Das Verbot ist somit eine notwendige 
    Maßnahme sozialistischer Gerechtigkeit zum Abbau unerträglicher Privilegien. Da 
    alle Gastwirte Bier nunmehr kostenlos ausschenken, verdienen sie nichts mehr. Sie 
    müssen deshalb in den öffentlichen Dienst übernommen werden. Dabei spielt die 
    Parteizugehörigkeit eine wesentliche Rolle. 
    Zur Ordnung dieses wichtigen neuen Zweiges des öffentlichen Dienstes wird ein 
    Beauftragter für Bierausschank berufen. Ihm wird zur Sicherung von mehr 
    Demokratie ein drittelparitätisch besetztes Gremium zur Seite gestellt, in dem die 
    Gastwirte, die Konsumenten und die Kellner vertreten sind. 
    Da die Regierung Freibier versprochen hat, muß sie dafür Sorge tragen, daß 
    ausreichend Freibier zur Verfügung steht. Sie muß deshalb die Produktion von Bier 
    kontrollieren und die Investitionen der Brauereien lenken. Da die Verantwortung des 
    Staates für das Wohl der Bürger unteilbar ist und die Einhaltung des Freibierver-
    sprechens nicht am Profitstreben scheitern darf, ist die Verstaatlichung der 
    Brauereien der nächste notwendige Schritt auf dem Weg zum Sozialismus. 
    Um die staatlichen Brauerei-Aufgaben wahrzunehmen, wird ein staatliches Bieramt 
    errichtet und ein Präsident des Amtes berufen. Er trägt, zusammen mit den 
    Unterbehörden, die Verantwortung für den Bierausstoß. 
    Die Brauereien wiederum sind vom Hopfenanbau abhängig. Ohne guten Hopfen kein 
    gutes Bier. Die Regierung muß deshalb auch die Verantwortung für den 
    Hopfenanbau übernehmen. Dazu muß das Bieramt durch eine Hopfenbehörde 
    erweitert werden. 
    Nach der Übernahme der Gastwirte in den öffentlichen Dienst, der Verstaatlichung 
    der Brauereien und der Vergesellschaftung des Hopfenanbaus sind alle 
    Voraussetzungen für die Einlösung des Freibierversprechens geschaffen. Der 
    Verwirklichung sozialistischer Gleichheit im Bierkonsum steht nichts mehr im 
    Wege. 
    Dann treten jedoch Lieferschwierigkeiten auf. Der Bierausstoß bleibt hinter den 
    Erwartungen zurück, da die Brauer mit dem Ausfüllen von Formularen und der 
    Arbeit in den demokratischen Gremien beschäftigt sind. Um diesem Übelstand 
    abzuhelfen, wird die Regierung den Bierausstoß durch die Zugabe von Wasser 
    inflationieren. Das Bierangebot wird dadurch erhöht. 
    Aber die Qualität wird schlechter. Deshalb sind dieser Biervermehrung Grenzen 
    gesetzt. Und daraus folgt der nächste und abschließende Schritt zum Sozialismus. 
    Das Bier wird rationiert: Freibier auf Bier-Karten. 
    Da die Gastwirte im öffentlichen Dienst mehr Dienststunden machen, die Brauereien 
    weniger produzieren und die Qualität des Bieres immer schlechter wird, sinnen die 
    Bürger auf Auswege. Der direkte Weg zum guten Bier ist versperrt. Die 
    sozialistische Bierordnung kann nur noch durch revolutionäre Maßnahmen verändert 
    werden. Zur Revolution langt es jedoch nicht. So entwickelt sich ein grauer Markt 
    für Bier. Hopfen wird heimlich angebaut  trotz Strafandrohung. Bier wird heimlich 
    gebraut. Und Gastwirte verkaufen das neue, gute Bier heimlich gegen Entgelt  vor 
    allem an die, die gute Beziehungen haben, und an die Mitglieder der Regierung. 
    Da wir von diesem Umweg zum guten Bier nichts halten: deshalb sind wir gegen 
    Sozialismus!"
    Anno 1976